Gelsenkirchen/Hamm/Erfurt. Das Vertrauen in die Rechtspflege ist ein schützenswertes Gut. Genauso wie die Wahrung der Autorität der Gerichte. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit 1984 und die entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte sprechen eine deutliche Sprache.
Wie sich diese Sprache in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm ausdrücken wird, ist, angesichts der ersten Reaktion von Zuschauern nach Urteilsverkündigung, interessant zu erfahren. In der kurzen mündlichen Begründung des Vorsitzenden Richter (VRLAG) Eckhard Limberg findet sich kein für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer Ansatz dahingehend, dass der stellvertretende Jugendamtsleiter Frings nicht wieder im Jugendamt arbeiten sollte. Das wäre für die Öffentlichkeit ein unerträglicher Gedanke. Fragt sich, wie das Landesarbeitsgericht die Tatsache bewertet, dass aufgrund zweier Anzeigen, so die Aussagen von Ass. Herbert, die Staatsanwaltschaft gegen Hr. Frings ermittelt. Wenn ich das richtig verstanden habe, u.a. wegen der unzureichenden pädagogischen Betreuung der Jugendlichen in Pecs, wie von der ARD-Sendung MONITOR im Ansatz dargestellt.
Ein kleiner „Rolladeneffekt“ bei T. Frings im LAG-Termin
Andererseits hat sich Hr. Frings, nach eigener Aussage im Termin des LAG, an der Unterbringung in Heimen beteiligt, um seinen Mitarbeitern zu helfen, deren Warteliste abzuarbeiten. Das, so wollte Assessor Herbert für die Stadt Gelsenkirchen, es unbedingt festgehalten wissen, habe er bislang bestritten. Aufgrund der neu eingebrachten Zeugenaussagen, wonach Hr. Frings mit Frau Gresch vom St. Josef-Heim diesbezüglich in Kontakt stand, gab es den sogenannten „Rolladeneffekt“ – die Fassade fiel ein wenig; die Wahrheit eroberte sich in ihm ein wenig Raum. Etwas Schamesröte in seinem Gesicht verriet: Jetzt sagt er die Wahrheit.
Assessor Herbert: Herr Frings hat hier gerade etwas unstreitig gestellt
Hr. Frings sagte also aus. Mit seiner Aussage, so Ass. Herbert, habe er damit etwas „unstreitig gestellt“, was bisher von der Klägerseite bestritten wurde. Die darauf bezogene Bemerkung von Frings-Anwalt Klima, eine solche Stellungnahme hätte es schon vorher gegeben, wenn denn die Stadt Gelsenkirchen diesbezüglich nur so nachdrücklich in der ersten Verhandlung taktisch klug agiert und insistiert hätte; so wie heute.
Zugeständnis ohne arbeitsrechtliche Wirkung?
Für die Öffentlichkeit findet die Aussage von Hr. Frings in der mündlichen Urteilsbegründung von VRLAG Limberg nur leider nicht eine erkennbare Bewertung. Wieso? Sollte das, was da zugestanden wurde, normal sein? Das Verfahren, seine Durchführung und sein Ergebnis berührt insofern das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine funktionierende Verwaltungs- und Justizarbeit. Können die Verfahrensgrundsätze dergestalt sein, dass am Ende ein für die Öffentlichkeit nicht hinnehmbares Ergebnis herauskommt, das aber im Prinzip den Grundsätzen der Arbeitsgerichtsverfahren entspricht, aber nicht der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, weil es zu einem unerträglichen Ergebnis führt?
Das Unverständnis in der Öffentlichkeit über den Ausgang des Berufungsverfahrens ist groß.
Kann die Rechtssicherheit ein ebenso schützenswertes Rechtsgut sein, wie das schwelende schwindende Vertrauen in Verwaltung und Justiz?
Wird im Ergebnis dem Arbeitgeber mit der Weiterbeschäftigung von Hr. Frings quasi eine Strafe für sein nicht rechtzeitiges Handeln auferlegt, die aber am Ende die Bürgerinnen und Bürger – zumal die Kinder – bezahlen müssen, wenn sie mit Hr. Frings im Jugendamt wieder zu tun haben, und sich bei ihnen ein ungutes Gefühl einstellt, ob sie nun wirklich die richtige Hilfe erhalten oder in einem überbelegten Heim landen, was das Kindeswohl gefährden könnte?
Das, was sich an Befürchtungen ausdrücken lässt, hat das Arbeitsgerichtsverfahren für die Öffentlichkeit nicht klären können. Die Berichterstatter, wie Patrick Jedamzick und ich, können es auch nicht erklären, weil ihnen insofern nicht die zureichenden Informationen vorliegen. Das könnte sich ein wenig mit Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung ändern.
Warum das Gericht jedoch während der Verhandlung, so wie ich es verstanden habe, von einer „gewöhnlichen“ (?) 110 % Überbelegung (?) als offenbar „verkehrsüblich“ (?) ausgeht, kann nach den bisherigen Aussagen zur Überbelegung im Aufklärungsausschuss, z.B. von Seiten des LWL-Vertreters auf ausdrückliches Befragen von Günter Pruin, ganz und gar nicht einleuchten.
Fazit für die Öffentlichkeit: Zunehmendes Misstrauen gegen Justiz und Verwaltung
Konnte das Landesarbeitsgericht den Aspekt, welche Auswirkungen seine Entscheidung der Weiterbeschäftigung von Hr. Frings für die Öffentlichkeit haben wird, einfach ausblenden?
Ist das Landesarbeitsgericht überhaupt die richtige Instanz für die aufgeworfenen Fragestellungen? Wurde das Landesarbeitsgericht mit den richtigen Sachverhalten beschäftigt? Diese Fragen sind, neben weiteren Fragen, weiterhin offen. Vielleicht macht die ARD noch eine Nachberichterstattung und ändert damit alle bisherigen Schließungspläne zugunsten einer weiteren Aufklärung im zuständigen Ausschuss AFJH?
Wenn nicht, und falls der Aufklärungsausschuss demnächst per Ratsbeschluss wirklich am 07.07.2016 zugemacht wird, bleiben diese Fragen offen. Niemand wird sie beantworten und die Öffentlichkeit wird in ihrem Glauben an Recht und Gesetz einen weiteren Einschnitt erfahren, der das schwindende Vertrauen in die Verwaltung und Justiz bestärkt. Möglicherweise auch zu 110 %; denn genau in dieser Größenordnung scheint das Misstrauen mittlerweile in den Menschen „überbelegt“!?