Jugendamtskandal – Zweiter Teil

Gelsenkirchen. Im Anschluss an den von der ARD-Sendung Monitor aufgedeckten Jugendamtskandal, der unter anderem die Offenlegung der personellen Unterbesetzung im Jugendheim St. Josef durch die Arbeit des Aufklärungsaussschusses (AFJH) im Rathaus im Jahr 2015 mit sich brachte, werden aktuell sieben Jahre später mehr Details aus dem Jugendamt selbst bekannt, das ebenfalls – wie jetzt prägnant offen gelegt wurde – an personeller Unterbesetzung leidet, die zulasten der Kinder (und besorgten Eltern) geht.

Personelle Unterbesetzung in der Arbeit mit Kindern – einst und jetzt

Der Jugendamtskandal war seinerzeit davon geprägt, dass zwei Mitarbeiter des Kinder- und Jugendheims St. Josef der Kath. Kirche (St. Augustinus) im Aufklärungsausschuss darlegten, wie ihre Überlastungsanzeigen, die eine Überbelegung des Heims über Monate und Jahre zum Gegenstand hatte, von den Führungsverantwortlichen von St. Augustinus (einschließlich von Probst Manfred Paas, den die beiden Mitarbeiter aufsuchten) nicht zur Kenntnis genommen wurden. Nunmehr haben sich MitarbeiterInnen des Jugendamts an die mediale Öffentlichkeit der WAZ gewandt, um ihre Unzufriedenheit und Sorge mit der personellen Unterbesetzung im Jugendamt kundzutun.

Beteuerungen und Versprechen von OB Baranowski zum Trotz

Dass eine solche Nachricht nach dem „kritischen Ereignis“ im Jahr 2015/16 zum gleichen Thema noch einmal in Gelsenkirchen aufschlagen würde, damit hat – nach den zahlreichen Beteuerungen und Versprechungen des damaligen Oberbürgermeisters und hauptamtlichen Personalverantwortlichen Frank Baranowski nicht wirklich jemand gerechnet, der politischen Verstand sein eigen nennt. Denn mit der Schließung des diesbezüglichen Aufklärungsausschusses allein mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion der SPD – gegen den ausdrücklichen Wunsch des Sprechers der CDU weiter aufklären zu wollen – ist wohl niemand wirklich davon ausgegangen, dass sich die SPD als Ratsmehrheit weitere gravierende Fehler erlaubt bzw. wird erlauben können. Der Hauptgrund dafür kann maßgeblich darin gesehen werden, dass sich die SPD im Dualismus der Macht mit der Verwaltung eine weitere Verfehlung im Bereich der Desinformation der Öffentlichkeit in Bezug auf die Arbeit mit Kindern nicht leisten kann, um nicht vollends ihren verbleibenden Ruf als angestammte Volkspartei, die „Kein Kind zurück lässt“ zu riskieren; um so wenigstens noch einen Rest an Seriosität zu sichern. Vermeintlich würde sie in Zukunft wenigstens ansatzweise für das Wohl von Kindern Verantwortung zeigen, und nicht ungeniert ihrem Ruf als Partei des „Roten Filz“ weiter frönen, der ihr bekanntermaßen vorauseilt. Da sie als Mehrheitsfraktion im Rat, die auch die neue Oberbürgermeisterin stellt, eine Reputation zu wahren hat. Die zwar für die Zukunft weniger auf Vertrauen als auf Glaube beruht, die ihre Glaubwürdigkeit jedoch mit der vorzeitigen Schließung des Aufklärungsausschusses allein mit ihren Stimmen leichtsinnigerweise bereits arg aufs Spiel gesetzt hat. Doch weit gefehlt!

Der überraschende Rückzug der Nachfolgerin in der Jugendamtsleitung

Nun ist genau dies doch geschehen. Die bereits optionierte Nachfolgerin der beiden geschassten Jugendamtsleiter Wissmann/Frings aus Oldenburg, Frau Pia Steinrücke, muss es nicht nur geahnt haben; sie wird es nach fachlicher Einschätzung der Verhältnisse vor Ort, wohl gewusst haben. Sie trat jedenfalls – aus Sicht der Führungsriege im Rathaus – völlig überraschend von ihrer Zusage, das Amt der Jugendamtsleiterin übernehmen zu wollen, zurück. Die Berichterstatter zeigten sich ähnlich überrascht. Hier im Blog warf ich daran anschließend die Frage auf: „Welche Gründe wiegen denn so schwer, eine unterschriebene und vom Rat am 25.02.2016 beschlossene Anstellung, zwischenzeitlich nach „einem Überdenken dieser Entscheidung“, wieder zurück zu nehmen?“ Aus heutiger Sicht eine gute und berechtigte Frage, die sechs Jahre später eine Antwort findet, die dieses Verhalten im Ansatz nachvollziehbar macht. Weitere Antworten wird es geben. So viel dürfte sicher sein.

Ausblick

Wann das sein wird, steht im Gelsenkirchener Sternenhimmel geschrieben, möchte man meinen. Fachwissenschaftler im Bereich des Whistleblowings wissen es genauer. Die Unzufriedenheit über die bestehenden Verhältnisse drängt Menschen dazu ihre bereits über Jahre angepasste Haltung an moralisch zweifelhafte Verwaltungspraktiken aufzugeben; zumal wenn sich im Team, der Abteilung oder im Referat die Meinung durchsetzt, dass dergleichen Arbeitsbedingungen zu Lasten aller Beteiligten (allein zugunsten der Politik bzw. im Dienste der Verwaltung) niemandem mehr zuzumuten sind; zumal wenn das Leid und der Tod von Kindern zu gewärtigen ist. Das dergleichen Klagen von Mitarbeitern des Jugendamts, nach einer Befragung von Ex-Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) im Aufklärungsausschuss, zu früheren Zeitpunkten bereits erfolgt sind, macht die Sache nicht besser. Sondern verdeutlicht, mit welcher Hartnäckigkeit Politik und Verwaltung im Dualismus der Macht eine nicht funktionierende Verwaltungspraxis zulasten von Kindern weiterzuverfolgen in der Lage ist, die selbst normalen Bürgern in der Stadtgesellschaft als strafbares Verhalten (in Form des Unterlassens) durchaus kriminell anmutet.

Lesetipp:

Wie klappt es eigentlich mit den Überbelegungen bei GeKita?

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