Gelsenkirchen/Gladbeck. Angesichts der Peinlichkeit des Skandals rund um die beiden Gelsenkirchener Jugendamtsleiter, und ihrer Einrichtung Neustart kft in Pecs/Ungarn, ist es für Politik und Verwaltung in den betroffenen Städten naheliegend die Hintergründe vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten, um bei der nächsten Wahl die Chancen zur Wiederwahl zu erhöhen.
Diesem naheliegenden Politikum hat die Gemeindeordnung das Mittel der Öffentlichkeit der Sitzungen als Grundsatz entgegen gestellt (§ 48 Abs. 2 GO NRW). Zumindest ist das in Nordrhein-Westfalen so. Leider werden immer noch viel zu viele Angelegenheiten – zum Teil aus politischen Gründen – in nicht öffentlichen Sitzungen behandelt, so dass es den Gemeinderatsmitgliedern oft nicht leicht gemacht wird, monieren die Grünen in Bayern.
In Gladbeck kann man jetzt an dem Beispiel meiner Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sehen, dass die Verwaltung mir antwortet, die Informationen zu dem Skandal seien in nichtöffentlicher Sitzung besprochen worden; womit gleichzeitig eine Geheimhaltung impliziert ist. Der Gladbecker Rechtsdezernent schreibt mir aber nicht, dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Tatsächlich ist mit der Grundsatzentscheidung für die Nichtöffentlichkeit der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses, die Information jedoch nicht ein für allemal für die Öffentlichkeit verloren. Sie kann ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Dafür muss ein bestimmter Weg beachtet werden, den das IFG, die Gerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht vorgeben, um die Meinungs- und Pressefreiheit zu schützen. Das wird nun vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit meiner Klage gegen die Argumente der Stadt Gladbeck geklärt werden. Verschwiegen wurde jedenfalls, dass es „mit Ausnahme der Beratung des Prüfergebnisses (heute § 96 Abs. 1 GO NRW)“ durchaus eine Ausnahme gibt. Behauptet wurde das Gegenteil: es gäbe keine Ausnahme.
Wehret den Anfängen des Demokratieabbaus
Die Stadtverordneten in nichtöffentlichen Sitzungen müssen es aber gar nicht so weit kommen lassen. Wer das Gefühl hat, hier soll etwas unzulässig der Geheimhaltung unterworfen werden, kann sich als Stadtverordneter dagegen wehren. Daneben hat auch die Öffentlichkeit bestimmte Rechte. Dazu in einem weiteren Beitrag später mehr.
Die Geheimhaltung wird durch Nichtöffentliche Sitzungen nur ausnahmsweise durchbrochen
Was müssen die Stadtverordneten wissen, die in einer solchen nichtöffentlichen Sitzung sitzen, und glauben, die Sache sei nicht geheimhaltungsbedürftig; die Öffentlichkeit habe vielmehr ein Anrecht auf die Information um sich ein vollständiges Bild zu machen. Dazu gebe ich hier in Ansätzen den Stand der Rechtsprechung wieder.
„Flucht in die Öffentlichkeit“ als Rechtsfigur
Um die Nichtöffentlichkeit der Sitzung und damit die Geheimhaltung zu durchbrechen, gibt es für die Stadtverordneten seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, die „Flucht in die Öffentlichkeit“ anzuvisieren. Dazu bedarf es gewisser Voraussetzungen. Diese sind:
- Das Ratsmitglied muss dem Rat Gelegenheit zur Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes geben. Bei unberechtigtem Ausschluss der Öffentlichkeit muss der Stadtverordnete Zulassung der Öffentlichkeit und dabei gleichzeitig Vertagung auf eine öffentliche Sitzung verlangen;
- und/oder die Aufsichtsbehörde wegen der drohenden Rechtsverletzung informieren und um Abhilfe bitten.
- Mit Blick auf die objektive Interessenbewertung im Lichte des Gemeinwohls, schließt sich eine Interessenabwägung an.
- Die Flucht in die Öffentlichkeit, mit dem Bruch der Verschwiegenheit, ist als rechtmäßig anzuerkennen, wenn bei der notwendigen Abwägung zwischen den für die Geheimhaltung sprechenden Belangen einerseits und dem Prinzip der Öffentlichkeitsbeteiligung im demokratisch organisierten Gemeinwesen andererseits, angesichts des Grundrechts der Meinungsfreiheit der Mandatsträger (Art. 5 Abs. 1 GG), die formale Behandlung der Angelegenheit zurückzutreten hat, sofern es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage geht.
- Die Offenbarung von in nichtöffentlicher Ausschusssitzung gewonnenen Erkenntnissen kommt dann in Betracht, wenn das Rats- oder Ausschussmitglied in dem beschriebenen unausweichlichen Konflikt steht, und die vorgenannten Schritte unternommen hat.
Das betreffende Bahn brechende Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aus dem 1995 kann jeder Stadtverordnete zur Sicherheit hier nachlesen. Es ist überschrieben mit: „Flucht an die Öffentlichkeit“ bei unzulässiger nichtöffentlicher Beratung – OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.1995 – Az.: 7 A 12186/94 -.